Spricht man heutzutage vom „Melodic Metal", so assoziiert man diesen fast automatisch mit den 90er Jahren, aber auch in den goldenen 80ern gab es bereits eine Menge Bands, auf die dieser Begriff perfekt zugetroffen hat. Damals hatten es solche Bands allerdings im reinen Metal Lager teilweise relativ schwer, denn allzuoft wurden sie in die Poser-Ecke eingruppiert, was gleichzeitig die Ablehnung der "True" Metal Fans nach sich zog. Und in der Tat waren echte Poser-Bands wie TNT, BONFIRE, POISON, CINDERELLA etc. im Prinzip nichts anderes als kommerzielle, Pseudo-Hardrock Boygroups, die mit seichten, oberflächlichen Balladen und dauergewellten Haaren die Masse der überwiegend weiblichen Fans begeistern konnten (Würg!!!). Zum Glück gab es aber auch ein paar Ausnahmen, die mit Melodien und echtem metallischen Feeling mit Tiefgang die Metal-Maniacs überzeugen konnten ... man erinnere sich nur an die PRETTY MAIDS, die mit ihrer Mini-LP, Red, Hot And Heavy und Futureworld absolut zeitlose Klassiker ablieferten. Und genau in diese Kategorie muß man auch die ersten beiden EUROPE Platten Europe und Wings Of Tomorrow einordnen. Beide Scheiben unterscheiden sich stilistisch auf den ersten Blick relativ wenig vom späteren Megaseller The Final Countdown, aber eine kleine Nuance unterscheidet diese drei Platten doch. The Final Countdown klingt wesentlich gekünstelter und wie von der Plattenindustrie vorgegeben, während Europe und Wings Of Tomorrow absolut ehrlich und überzeugend wirken. Einen solchen Unterschied spürt man viel mehr, als das man ihn hört, aber genau hier liegt die Crux begraben: Im Gefühl und in der Ehrlichkeit, was für jede Art von Musik die höchste Priorität haben sollte! Wie bereits erwähnt standen für EUROPE Harmonie und eingängige, gradlinige Melodien an erster Stelle, über denen im Vordergrund der einfühlsame Gesang von Joey Tempest lag. Stücke wie Open Your Heart sind ohne Zweifel mit Songs wie z.B. Love Games oder Rodeo von den PRETTY MAIDS zu vergleichen, aber wie die hübschen dänischen Jungfrauen hatten auch EUROPE "härtere" und schnellere Nummern in petto, was beispielsweise an Seven Doors Hotel oder Scream Of Anger deutlich wird. Wie bereits angeklungen sind auch hier stilistische Vergleiche mit PRETTY MAIDS angebracht; diesmal jedoch mit Stücken wie Needles In The Dark oder Queen Of Dreams. Weiterhin erwähnenswert ist die sagenhafte Ballade Dreamer vom Wings Of Tomorrow Album, die an Feeling kaum zu überbieten ist. Totalausfälle sind auf diesen beiden Platten kaum vertreten, lediglich Treated Bad Again ist absoluter Prol-Bullshit. Insgesamt kann man diese beiden Alben also mit besten Wissen und Gewissen weiter empfehlen - wer auf Metal/Hardrock mit relativ wenig Härte, viel Melodie und viel Gefühl steht, wird auch in der heutigen Zeit begeistert sein.
jew. 13 Punkte
Wolfgang Volk (10.06.1999)