Diese beiden Meilenstein des sogenannten Neoprogs der 80er könnte ich auch problemlos unter Classic-Reviews einordnen. Obwohl ich den Begriff "Neoprog" etwas ungünstig gewählt finde, da der 80er Neoprog mit dem Anfang der 90er Neoprog in meinen Ohren aber auch gar nix zu tun hat. Bei letzterem denke ich mehr so an den Clive-Nolan-Einheitbrei – und davon sind Bands wie PALLAS, MARILLION und IQ (natürlich) meilenweit entfernt. PALLAS waren zusammen mit eben genannten Wegbereiter für eine neue Ära – sie haben den Art Rock oder Prog – oder wie immer man das auch nennen will – in die 80er Jahre hinüber gerettet und ihm neues Leben eingehaucht. Nur leider hat PALLAS den richtig großen Durchbruch nie geschafft bzw. allenfalls für kurze Zeit. Mit
The Sentinel nämlich hatte man sich damals, 1984, einen Major-Deal mit der EMI ergattert und immerhin stolze 80.000 Alben abgesetzt. Nicht schlecht, sollte man meinen, doch in den Jahren nach
The Wedge (1986) verschwand PALLAS leider, von vereinzelten Konzerten abgesehen, komplett von der Bildfläche und erschien dann erst 1999 (!) mit
Beat The Drum wieder auf dieser. Leider konnten PALLAS meiner Meinung nach damit nicht mehr an die Glanzzeiten Anfang/Mitte der 80er anknüpfen, der "Spirit" war irgendwo in den langen Jahren dazwischen verloren gegangen – leider. Aber diese bittere Pille haben auch schon andere Bands, wie z.B. KANSAS, geschluckt. Ich möchte musikalisch gesehen gar nicht so detailliert auf die beiden Alben eingehen, da die meisten sie vermutlich eh schon kennen und das auch den Rahmen sprengen würde. Nur als Kurzinfo für diejenigen, an denen PALLAS bisher vorüber-gegangen ist: Sowohl auf
The Sentinel als auch auf
The Wedge wird bombastischer, druckvoller und extrem eigenständiger Prog geboten. Durch beide Alben zieht sich der raue, einzigartige PALLAS-Sound. Während
The Sentinel mit Sänger Euan Lawson als Konzeptwerk mit der Umsetzung des Atlantis-Themas eher episch-verspielt mit längeren Tracks daherkommt, geht's auf
The Wedge mit Lawsons Nachfolger Alan Reed am Mikro, so richtig schön ungeschliffen-fetzig-brachial zu. Eingängiger als auf
The Sentinel, aber nie banal, die Art von Eingängigkeit, die nur wenige Bands auf die Reihe kriegen, ohne dabei jemals wirklich in radiotaugliche Gefilde anzudriften. Abgesehen von einigen wunderschönen ruhigeren Momenten (
Just A Memory) ist das hier fetziger Gute-Laune-Prog der allerersten Kajüte, wie man ihn nur extrem selten zu hören bekommt! Für mich ist
The Wedge sogar noch etwas oberhalb von
The Sentinel angesiedelt, und gleichzeitig der absolute Höhepunkt der PALLAS-Laufbahn. Damit muss ich ganz klar mal eine Lanze brechen und ausnahmsweise die Höchstpunkzahl vergeben. Beide CDs werden angereichert mit einigen Bonus-Tracks: Im Falle von
The Sentinel wird durch Hinzufügen der B-Seiten das Konzept inhaltlich wieder so zusammengefügt ist, wie es ursprünglich gedacht war, bei
The Wedge wurden noch die Songs der
Knightmoves-EP hintendran gehängt. Im Mulitmedia-Teil der beiden CDs findet man einige Fotos und rare Live-Videos. Um in den Genuss davon zu kommen benötigt man allerdings unpraktischerweise den Apple-Quicktime-Player, den wohl die meisten Windows-Nutzer erst von
www.apple.com downloaden müssen. Aber es lohnt sich, denn nach dem Download findet man auf
The Sentinel eine Aufnahme der
Atlantis-Suite aus dem Londoner Hammersmith Odeon von 1984 und auf
The Wedge eine nicht minder rare TV-Aufnahme von einer frühen
Win Or Lose-Version. Übrigens sei an dieser Stelle auch schon die in Kürze erscheinende Doppel-Live-CD erwähnt, wobei die erste CD zum größten Teil aus Songs von
Beat The Drum besteht (wer's mag), und die zweite die
Atlantis-Suite enthält.
14 Punkte (
The Sentinel)
15 Punkte (
The Wedge)