[Übersicht der Berichte]
Fates Warning
Live in Vossalaar (B), 08.06.97 und Köln, 19.06.97
Live in Vossalaar/Biebob (B), 08.06.97
Wann hat man schon mal die Gelegenheit, Fates Warning live zu sehen? Klar, natürlich war da vor einigen Jahren jenes Wacken Open Air Festival, und viel, viel später durfte man die Kulttruppe dann noch mal als Vorband von Dream Theater bewundern. Aber als Headliner?? Dafür nimmt man natürlich auch gerne mal eine etwas weitere Fahrt in Kauf - z.B. nach Vosselaar in Belgien, ein beschauliches Dörfchen, das den Eindruck macht, als wenn hier allabendlich die Gehsteige hochgeklappt werden. Ausgenommen natürlich von einem Szene-Schuppen namens "Biebob", in den angeblich 600 Nasen hineinpassen - liegend übereinander gestapelt vielleicht? Doch leider kam's nicht einmal annähernd dazu, die Kapazität dieses Clubs auf die Probe zu stellen, denn nur etwa 150 Leute waren eingetrudelt, um Fates Warning zu sehen. Echt enttäuschend.
Es gab eine Vorband namens "Omen", über die ich mich hier allerdings nicht äußern kann: Wir brauchten eine halbe Ewigkeit, um in diesem schlafmützigen Örtchen einen Geldautomaten zu finden, damit wir den Eintritt in Landeswährung löhnen konnten. Als wir eintrafen, spielten Omen gerade ihre letzten Akkorde –enttäuscht nahmen wir uns vor, bei dem Gig in Köln dann doch etwas früher loszufahren.
Nach der Umbaupause war es endlich wieder einmal soweit – die Legende betrat die Bühne und legte gleich mit einem Stück von Parallels los: "Life In Still Water". Die große Preisfrage im Vorfeld, ob es denn einen zweiten Tour-Gitarristen geben würde, war nun auch geklärt: Nein! Der Chef kochte selbst, und das vorzüglich! Der Keyboarder, Ed Roth, füllte die Lücken, die trotz der brillanten Alleinarbeit von Jim Matheos entstanden (auch ein Ausnahmegitarrist hat nun mal nur zwei Hände) ausgezeichnet und verlieh damit natürlich vor allem den älteren Songs eine ganz neue Note.
Aber weiter im Text. Im Anschluß an "Life In Still Water" waren dann die ersten Akkorde von "A Pleasant Shade..." zu vernehmen. Ein Album, zu dem man wohl hier nicht mehr viele Worte verlieren muß - daß es genial ist, dürfte sich inzwischen wohl herumgesprochen haben. Jedenfalls hieß das Stichwort hier Zuhören und die Außenwelt vergessen, denn man durfte das Stück tatsächlich in ganzer Länge genießen. Leider nahm das Publikum die Sache mit dem Zuhören und In-sich-gehen offenbar etwas zu wörtlich, denn die Begeisterungsstürme hielten sich doch einigermaßen in Grenzen. Das ließ sich auch nicht durch die geringe Zuschauerzahl entschuldigen. War man denn so wenig in der Lage, die Band auch spüren zu lassen, wie man mit Hilfe der dargebotenen Klänge in andere Sphären entschwebte...? Nee Leute, das üben wir aber noch mal. Es lag nicht daran, daß irgendetwas mit der Performance nicht gestimmt hätte, die war über jeden Zweifel erhaben. So gab es dann auch nur einen Zugabenblock, bestehend aus "Eleventh Hour" und "Monuments" – allerdings mußte das Publikum hier dann sogar noch vom Haus-DJ ermuntert werden, die Zugabe auch entsprechend zu verlangen. Peinlich, peinlich...
Live in Köln/Kantine, 19.06.97
Anders sah die Sache dann schon eineinhalb Wochen später in der Kantine zu Köln aus! Zwar war auch diese nicht gerade prall gefüllt – die ca. 300 Leutchen verliefen sich doch etwas in der für (angeblich) 1000 ausgelegten Räumlichkeit. Im Gegensatz zu Belgien waren hier neben Omen auch noch Scanner am Start. Scanner dürften den Anhängern der alten Melodic-Speed-Metal-Szene (Ära Helloween zu Kiske-Zeiten) noch bestens bekannt sein – dementsprechend sorgten sie bei mir auch für eine willkommene Zeitreise in die Vergangenheit, auch wenn "Hypertrance" das letzte Werk der Band in meinem Plattenschrank (!) darstellt. Völlig zu Unrecht, wie mir scheint, denn auch die neueren, getragenen, teils hymnischen Melodic Metal Stücke des Sets fand ich durchaus hörenswert. Doch die Begeisterung der Zuhörer hielt sich in Grenzen. War wohl auch irgendwie taktisch daneben, Scanner ausgerechnet im Vorprogramm von Fates Warning auftreten zu lassen. Erinnerte mich jedenfalls schwer an die erste Dream Theater Tour in Deutschland, bei der Heaven's Gate eröffneten und trotz astreiner Arbeit gnadenlos absuppten. Ob es vielleicht sein kann, daß Progger manchmal ein ganz, ganz klein wenig voreingenommen "normaler" Musik gegenüber sind...?
Danach waren dann Omen dran, die Zuhörer auf einen Trip in die Vergangenheit zu reißen, und siehe da, ihr Bemühen war durchaus von Erfolg gekrönt. Aus den anfangs 30 Zuhörern (ich habe sie gezählt!) die den ersten Stücken von Scanner gelauscht hatten wurden jedenfalls nach und nach fast 300. Ich weiß dabei gar nicht, warum im neuen Rock Hard Omen's neue Scheibe so gnadenlos zerschrieben wird – ich persönlich mag die neuen, im Midtempo gehaltenen Songs sogar deutlich mehr als die alten Reißer. Und damit der schlechte Ruf nicht leidet – man ist schließlich eine damn fuckin metal band, yeah – sorgte der gerade mal 18jährige Shouter mit Flüchen und unflätigen Ansagen für das entsprechende Omen-Ambiente.
So gegen 22.30 Uhr kam dann aber endlich der große Moment. Diesmal ging’s gleich mit "A Pleasant Shade...." los, und die Stimmung war, obwohl der Set rein musikalisch ebenbürtig mit Belgien war, vom ersten Akkord bis zum letzten absolut gänsehauterzeugend. Das lag vor allem auch daran, daß man den Jungs anmerken konnte, wie sie sich hier offenbar wohler oder auch mehr "zu Hause" fühlten, was sich natürlich auch aufs Publikum übertrug (oder auch umgekehrt?). Hier waren die Fans dann z.B. auch in der Lage, bei "Part VIII" die entsprechenden Zugabe-Rufe beizusteuern, was der Band ein sichtbares, spontanes Glückgefühl bescherte... Nach ca. 50 Minuten reinen Schwebens folgten dann noch zwei Zugaben – für Fates Warning Verhältnisse wirklich beachtlich; es soll während derselben Tour ja auch vorgekommen sein, daß überhaupt keine Zugabe gespielt wurde, z.B. im Noorderligt in Tilburg (NL) am 9. Juni. Die erste Zugabe bestand aus "Live In Still Water" und "Eleventh Hour". Die zweite brachte den Fans "We Always Say Goodbye", das man wohl als eine kleine Überraschung sehen kann, und "Monument", das schon vor der ersten Zugabe lauthals gefordert worden war - zum großen Vergnügen von Jim Matheos, der sich gutgelaunt sogar zu einem Lachen hinreißen ließ (wann sieht man den in sich gekehrt Klampfenden während eines Auftrittes sonst auch nur lächeln?). Bei "Monument" war die Stimmung dann noch mal (oder immer noch?) derart intensiv, daß man es im Nachhinein erst mal verarbeiten mußte, um sich in vollem Umfang darüber im Klaren zu sein... Übrigens funktionierte an diesem Abend auch die Gitarre fürs Akustiksolo einwandfrei – in Vosselaar war an dieser Stelle zu allem Übel auch noch der Ton ausgefallen, zum sichtbaren Frust von Matheos. Doch diesmal kam nach dem akrobatischen Gitarrenwechsel das Solo laut, deutlich und in gewohnter Perfektion. Einfach beeindruckend!
Aber dann war es ganz plötzlich vorbei, und langsam fiel einem der eigene Name dann auch wieder ein, und wieder etwas später war man dann sogar in der Lage, sich zu bewegen und langsam zum Auto zu schreiten.
Viel später erst (vermutlich, weil’s nicht negativ ins Gewicht fällt) ist mir übrigens mal klar geworden, daß Ray Alder im allgemeinen nicht gerade jemand ist, der mit ausschweifendsten Ansagen aufzuwarten pflegt – er gehört da wohl eher in die Kategorie "wortkarg". Das einzige in Puncto Ansage, was im Nachhinein wirklich hängenblieb, war die Begrüßung, die mit den Worten "Good Evening Düsseldorf" zeigte, daß sich Ray Alder über die deutschen Lokalrivalitäten informiert hatte. Denn eine solche Ansage in Köln ist ungefähr so, als würde man ein bayrisches Publikum mit den Worten "Good Evening to Franken" oder ein badisches mit "Hello Schwaben" begrüßen...
Erik Gorissen (01.09.1997)