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Telltalehard
Progressiver Hoffnungsträger aus Marburg
Innerhalb des Progressive Metal Lagers haben sich im Laufe der Zeit zwei unterschiedliche Stilarten durchgesetzt: da wäre zum einen der relativ eingängige Prog Metal, der bei allen technischen Finessen sehr nachvollziehbar konzipiert ist und des öfteren atmosphärische Passagen beinhaltet, und zum anderen gibt es natürlich nach wie vor den sehr komplexen Progressive Metal, der in der Regel viele Breaks und Taktwechsel innehat. Zu letzterem Teilbereich zählt die Marburger Formation TELLTALEHARD, die vor ca. 2 Jahren mit ihrem Demo-Tape Signs Of Warning auf sich aufmerksam machte und sogar mit einem Song auf dem Rock Hard Sampler Unerhört vertreten war. Circa ein Jahr später legten TELLTALEHARD dann ihre exzellent produzierte CD-Eigenproduktion Spiral Stairs nach (siehe hierzu auch Jester`s News, Heft 11), die vielleicht der Einstieg ins größere Buisiness ist (siehe folgendes Interview mit Gitarrist Thomas Türling). Da viele Fans/Leser TELLTALEHARD aber noch nicht kennen dürften, beginnt besagtes Interview mit der obligatorischen Frage nach der Bandhistory, aber daß TELLTALEHARD weitaus mehr zu sagen haben, wird im weiteren Verlauf sicherlich deutlich werden. In diesem Sinne: Vorhang auf für eine der hoffnungsvollsten deutschen Bands aus dem Progressive Metal Genre ... Mr. Türling, Sie haben das Wort. 

? Auch wenn dieser Einstieg nicht gerade originell ist ... erzähl doch erst einmal was von Euch, d.h. Bandhistory usw.?
TELLTALEHARD existiert seit 1993 und formte sich aus den Gründungsmitgliedern der zuvor aufgelösten Localhero Metalband LEWD PREACHER. Marc, Matthias und Frank waren sich darüber einig, es erneut miteinander versuchen zu wagen, aber unter anderen musikalischen Voraussetzungen, sprich: es vollzog sich ein Stilwandel weg vom damals recht limitiert erscheinendem Metal Approach hin zu einem vielseitigerem Bandsound. Mein Eintritt, in 1994, kam in einer Übergangsphase, da damals sowohl noch ein anderer Sänger als auch ein Keyboarder mit an Bord waren. Man könnte jetzt sagen, der Rest ist Geschichte, aber nachdem eine Trennung von beiden sich als unumgänglich erwies (wegen der viel zitierten, überstrapazierten und trotzdem unüberbrückbaren musikalischen Differenzen), nahm TELLTALEHARD endlich die gewünschte musikalische Form an. In jener Besetzung nahmen wir auch unser erstes und für uns sehr erfreuliches, viel beachtetes Demo Signs Of Warning auf, das es mit dem Track Fight The Fear immerhin auf den ersten RockHard Unerhört Sampler schaffte. Den positiven Reaktionen seitens der Fans und natürlich vor allem der Rezensenten, verdanken wir, daß man unseren Namen doch schon ein wenig, auch überregional kennt. Darüber hinaus konnten wir so wichtige Gigs wie Support Slots für VANDEN PLAS, EDGUY, ANNON VIN sowie das Wacken Open Air 1998 als direkte Folge der guten Kritiken für uns verbuchen. Marc war ja ursprünglich unser Drummer und da er bereits das Gros der Songs von Signs Of Warning eingesungen hatte und wir uns darüber im klaren waren, mit ihm eine wahre Perle als Frontmann zu haben, war ein vakanter Drummersitz zu vergeben. Für die eben erwähnten Auftritte half uns unser guter Freund Uwe Ruppel von ANNON VIN aus. Aber es mußte eine dauerhafte Lösung her, und nach langwierigen Auditions hat uns unser neuestes Mitglied Jens Feldermann direkt vom Start weg aus den Socken gehauen. Der kam locker zu uns in den Proberaum gestiefelt - gerade mal 19 Jahre jung - und spielte die Songs von Signs Of Warning, als hätte er sie schon immer drauf gehabt. Somit war die Entscheidung natürlich prompt gefallen und wir sind sehr glücklich, daß sich alles so ergeben hat. Wie Du siehst ist eine Menge passiert, und das ist der Stand der Dinge heute.

? Und wie seid Ihr auf den recht ungewöhnlichen Namen TELLTALEHARD gekommen, bzw. hat dieser Name eine tiefergehende Bedeutung?
Das müßtest Du eigentlich Matthias fragen, da er der Schöpfer dieser Wortkreation ist (lacht). Nein im Ernst, es ist nicht der Fehler eines sog. Non-Native Speakers, der nicht weiß, wie man das Poem von Edgar Allen Poe richtig buchstabiert, und er hat auch keinen bedeutungsschwangeren Hintergrund. Soweit mir Matthias versichert hat, faszinierte ihn die doppel- bzw. mehrdeutige Auslegungsmöglichkeit die sich hinter der Poe Story verbirgt und das Hard-Anhängsel ist eines seiner beliebten Wortspielchen, die auch in seinen Texten wie z.B. Man Who Counts oder auch beim neuen Living Page Of Mystory zu finden sind. Außerdem klingt der Name gut (lacht).

? Die Songs auf Spiral Stairs wirken härter als die Stücke von Euerem ersten Demo Signs Of Warning und sind meiner Meinung nach noch technischer konzipiert. Siehst Du das auch so und wie würdest Du Euren Stil selbst beschreiben?
Also, wir sind jetzt nicht nach dem Motto "Höher, Weiter, Schneller, Lauter etc." an das Songwriting heran gegangen. Das machen wir nie. Auch wenn man das in vielen Interviews liest, kommen die Sachen in erster Linie aus einem Schwung heraus, wie man sich gerade in speziellen Lebensabschnitten fühlt und sind bestenfalls ein direkter Spiegel deiner Seele. Es ist also nicht so, daß wir im Proberaum hocken und uns sagen, wir müssen jetzt unbedingt den oder den Frickel- oder was auch immer Technikpart einbauen. Besser ausgedrückt: wir entwerfen unsere Songs nicht am "Reißbrett". Natürlich machen wir uns Gedanken über die Struktur und das Arrangement. Viel entsteht aber auch durch, ich will es mal so ausdrücken, "Controlled Jamming" (lacht). Mit anderen Worten: wenn ich z.B. eine Riff oder Refrain Idee habe, steigt Marc mit einer Art Vorabmelodie ein und von da ab arbeiten wir mit allen am Finetuning. Ein äußerst kreativer und befriedigender Prozeß. Marc ist ein Meister der "Gibberish Vocals", d.h. er singt einfach drauf los, was ihm gerade einfällt, ohne erstmal darauf zu achten was grammatikalisch richtig ist und bekommt so eine konkrete Vorstellung von der Gesangslinie und der Wortmelodie. Danach kümmern Matthias und ich mich um die Texte. Stilmäßig haßt es natürlich jeder Musiker, eine gewisse Schublade für die Beschreibung seiner Musik zu öffnen, und wir bilden da keine Ausnahme. Ich denke, "Rockmusik mit vielseitigen Einflüssen aus allen Bereichen" trifft es sehr gut. Ich weiß nicht, ob wir so glücklich mit der Bezeichnung "Progressive Rock/Metal" sind, was unserer Meinung nach zwar dem Hörer vorab einen gewissen Anhalt gibt, aber trotzdem unzureichend für die Beschreibung des eigenen Stils ist. Mittlerweile assoziiert man damit ja fast ausschließlich DREAM THEATER. Versteh' mich bitte nicht falsch, DT sind eine großartige Band, aber alles nur an ihnen zu messen wäre der falsche Weg. Stilbeschreibungsmöglichkeiten im Genre "Progressive" zu suchen bzw. finden ist sowieso wahnsinnig schwer und sicherlich haben auch wir nicht die Musik neu erfunden, aber wir versuchen möglichst unser eigenes Ding ohne die beliebte Musikersportart "Copy a lick and jump on a bandwagon" duchzuziehen.

? Erzähl doch mal etwas über die Lyrics, bzw. Themen Eurer Songs. Von was handeln sie, wie wurdest Du inspiriert, willst Du auf konkrete Probleme hinweisen etc.?
Das ist ähnlich wie mit der Beschreibung des eigenen Stils gerade eben. Ich mag es z.B., wenn für den oder diejenigen mehrere Auslegungsmöglichkeiten der Texte als Option offen bleiben. D.h. weitestgehend sind die Sachen, die ich schreibe, schon Reflektionen von dem, was ich mal erlebt, gesehen, gelesen oder sonstwie auch unterschwellig aufgenommen habe, nur packe ich die dann eher in einen globalen Kontext, so daß sich der Hörer vielleicht auch selbst wieder darin finden kann. Bei Matthias ist es ähnlich. Generell geht es uns eher darum, nicht den erhobenen Zeigefinger zu benutzen, sondern vielmehr eine möglichst optimale Melange aus Wortklang und Inhalt zu erreichen.

? Mit Spiral Stairs legt Ihr jetzt eine Eigenproduktion vor, die soundtechnisch gesehen sensationell produziert wurde. Ist diese Mini-CD jetzt der definitive Einstieg ins Buisiness?
Oh vielen Dank für die Komplimente - sind wir nicht schon im Business? (lacht) Nein mal im Ernst, wenn wir die Gelegenheit haben, ein offizielles Debütalbum aufzunehmen und zu veröffentlichen, werden wir sie auch wahrnehmen. Das kann schon sehr bald eintreffen ...

? Du hast es ja bereits anfangs schon selbst gesagt - Fight The Fear vom Debüt-Demo war auf der Rock Hard CD Unerhört. Welche Reaktionen kamen anschließend seitens der Fans und hatte ein Label damals schon Interesse an einem Deal bekundet?
Ich habe das ja eingangs schon kurz erwähnt, die RockHard Unerhört Sache hat uns einerseits wirklich überrascht und andererseits einige Tore weit aufgestoßen, z.B. den sehr netten Support Gig mit VANDEN PLAS in Kaiserlautern oder auch unser Auftritt beim 1998er Wacken Open Air. Die Reaktionen seitens der Fans waren ermutigend und gleichzeitig erstaunlich. Über derart positive Resonanz können wir uns wirklich nicht beschweren, im Gegenteil, die 500er Erstauflage von Signs Of Warning war jedenfalls Ruck Zuck vergriffen. Auch Labelseitig wurde damals schon Interesse bekundet, wir wollten aber selbst noch ein wenig länger an neuem Material feilen.

? Bei Euch hat es zwischen Signs Of Warning und Spiral Stairs einige Veränderungen im Line-Up gegeben. Was hatte es damit auf sich?
Wie vorhin schon kurz angerissen war der Split mit unserem damaligen Sänger Martin Steitz leider unvermeidlich. Also gab es für uns 2 Optionen. Entweder wir finden einen Sänger, der die stimmlichen Qualitäten von Marc toppt und Marc spielt weiter Schlagzeug, oder ein neuer Drummer überzeugt uns. Das letztere ist mit Jens wie angesprochen zu unserer vollen Zufriedenheit ausgefallen. Wir mußten zuvor in den Auditions einigen Kandidaten absagen und waren schon etwas genervt als Jens dann reinkam und die Signs Of Warning Sachen spielte. Aber dann war die Sache für uns geritzt; er paßt hervorragend zu unserem Line Up und ist ein großes Talent!

? Ihr habt alle gute Jobs, die allerdings jede Menge Zeit brauchen. Wie wollt Ihr Job und Musikerdasein künftig unter einen Hut bringen?
Das schaffen andere, auch sog. "Profi"-Musiker, ohne jetzt explizit jemanden zu nennen, auch. Es ist durchaus üblich hier in Ger-Money (man beachte das nette Wortspielchen, auf das Thomas besonders aufmerksam machte), neben dem Musikerdasein ein feste Stelle zu haben. Anders ist den Verpflichtungen auch familiärerseits gar nicht monetär beizukommen. Glaube mir, einigen Fans würden die Ohren schlackern wenn sie wüßten, wer nebenher noch "schafft".

? Welche Art von Musik hört Ihr Euch privat so an ... und haben diese Bands Einfluß auf Eure Mucke gehabt?
Nun das ist SEHR, SEHR unterschiedlich (lacht). Das macht ja auch gerade den Reiz unserer Zusammenarbeit aus. Irgendwie beeinflußt dich alles, was du mal musikalisch aufgenommen hast, auf die ein oder andere Weise. Vieles passiert einfach unterschwellig. Ich könnte jetzt keine spezielle Band nennen auf die alle gleichermaßen abfahren, außer vielleicht SLAYER ... kein Witz. Jeder hat seine eigenen Faves. Bei mir sind das neben RUSH, KING'S X, DALBELLO, BILLY JOEL auch klassische Komponisten und zum Teil auch sog. Populäre Musik. Wichtig ist uns, daß wir trotz aller vorhandenen Einflüsse als eigenständige Band wahrgenommen werden. Die Mehrzahl der Rezensenten hat uns das ja mit Spiral Stairs bereits attestiert, was uns natürlich sehr gefreut hat.

? Wie steht es mit Plänen bezüglich TELLTALEHARD Live-Auftritte? Ist schon was genaues geplant?
Nun, wir haben im Dezember hier bei uns in der Nähe in Biedenkopf auf einem Festival zusammen mit DIEHAPPY und PYOGENESIS gespielt. Die Sache wurde von Progressive Arts e.V. organisiert. Wirklich löblich, da in unserer Konserven verseuchten Zeit kaum noch Leute für Live Mucke zu begeistern sind, und umso erfreulicher, daß es noch Leute wie Progressive Arts gibt, für die Eigeninitiative kein Fremdwort ist. Das war ein sehr guter Gig für uns, zumal Jens seinen Live Einstand bravourös gemeistert hat und wir insgesamt mit unserer Leistung sehr zufrieden waren. Für den Rest dieses Jahres steht noch nichts Konkretes fest aber es kann durchaus sein, daß wir den ein oder anderen Support Slot ergattern können.
Wolfgang Volk (01.02.2000)