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The Violet Hour - The Fire Sermon

Erinnert sich noch jemand an THE VIOLET HOUR? Ja richtig, es gab da diese Band, die auf MARILLIONs Holidays In Eden-Tour 1991 als Special Guest angenehm auffiel, nur um danach wieder in der Versenkung zu verschwinden. Leider ist die einzige CD der fünf Briten heute vergriffen, und die Band hat sich bereits nach der MARILLION Tour aufgelöst, was ich als großen Verlust empfinde. Meine Recherche hat ergeben, daß alleine Ausnahmesängerin Doris Brendel im Jahre 1994 unter dem Namen HOLY COW noch ein (allerdings bluesige Pfade beschreitendes) Album herausgebracht hat.
Zur Musik: Mit "typischem" Prog oder gar Neoprog hat TVH nicht sehr viel zu tun. Aber möglicherweise ist es gerade das, was den besonderen Reiz ausmacht: Die Eigenständigkeit. Ich habe nie auch nur etwas annähernd Vergleichbares gehört. Die Musik ist das in Klänge umgesetzte Äquivalent eines dunklen, kalten Herbsttages. Es drücken sich darin schmerzliche Rückblicke in Kindheit und Jugend, Nachdenken über das was ist und war, Einsamkeit, Gefühle von Verlust und Resignation aus, aber auch Hoffnungsschimmer scheinen hier und da durch. Erreicht wird dies durch die geniale, teilweise spärlich anmutende Instrumentierung. Alles wirkt sehr ausgereift und bis ins letzte durchkomponiert, ohne daß sich ein Musiker in den Vordergrund drängt. Martyn Wilsons Gitarre fließt melancholisch aus den Boxen, was mal in Form eines leicht violinenartigen Sounds, ein anderes mal mit viel Hall, aus weiter Ferne klingend, geschieht. Doris Brendel sorgt immer wieder für kalte Schauer, entweder durch ihre einzigartige, rauchige und gleichzeitig sehnsüchtige Stimme, oder indem sie mit ihrer über weite Strecken vertretenen Flöte Bilder von verlassenen Küstenlandschaften in mir entstehen läßt. Mark Waite versteht es, mit seinen Pianoklängen das fehlende Puzzlestück hinzufügen. Einzelne Stücke herauszugreifen fällt schwer; nur als Beispiel vielleicht der Opener, Dream Of Me: Wellenrauschen, langes, ruhiges, einzigartig atmosphärisches Intro, spärlich eingesetzte Drums, Doris' angenehme Flöteklänge und unterlegte Walgesänge. Kurze Textprobe: Dream Of Me, Dream Of me, I Will Be There - Calling Your Name From The Shore - The Sea Was Serene But She Swam Out Too Far And Was Gone - He Thought He Heard Her Voice Calling His Name In The Wind. Wie man sieht, kommt die Assoziation der Küstenlandschaft nicht von ungefähr. Der hier eingeschlagene Weg setzt sich konsequent fort, z.B. auf Could Have Been: Auch hier wieder die oft anzutreffende, spärliche, aber überaus effektvolle Instrumentierung in Kombination mit herrlich stimmungsvollen Flötenklängen. Es geht aber auch lauter, wie sich auf Falling zeigt, und besonders auch bei Ill Wind Blowin. Nach verzaubernden 54 Minuten verklingt diese CD dann mit For Mercy, und man findet sich verlassen im Regen stehend wieder. Man könnte durchaus noch mehr von der Sorte vertragen. Aber leider, TVH is' nich mehr! Doch wofür gibt es schließlich die Repeat-Taste am CD-Player? Außerdem paßt die Musik hervorragend zu der Stimmung, die ich empfinde, wenn ich daran denke, daß es kein Nachfolgealbum geben wird ...
14 Punkte - Erik Gorissen (04.12.1997)